Der Papst im Bundestag - wie findet ihr das? |
samuel
Schüler
Dabei seit: 25.04.2010
Alter: 36
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Der Papst im Bundestag - wie findet ihr das? |
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Momentan hält der Past seine Rede im Bundestag. Egal, was er sagen wird, finde ich es ein Unding, dass dieser Mensch überhaupt im deutschen Parlarment reden darf. Einer, der den Anspruch erhebt, Oberhaupt der einzig wahren religiösen Macht zu sein (so habe ich das mal in einem Spiegel-Artikel gelesen), einer, der zu den Konservativen unter den Konservativen in der Katholischen Kirche gehört und noch dazu viel zu wenig tut, was Entscheidungen bezüglich der Missbrauchsfälle innerhalb der Kirche betrifft und zudem eine Moralvorstellung vertritt, die aus vergangenen Jahrhunderten stammt. Ich finde, dass ein Mensch, der angesichts tausender AIDS-Kranker immernoch den Gebrauch von Kondomen ablehnt, der Frauen gar nicht zu Priester- oder höheren Ämtern zulässt (das ist meines Erachtens nichts anderes als Diskriminierung) und die Kirche in einer derart konservativen Richtung bringt, dass man kaum liberale Stimmen hört (und wenn, dann nur in Zeitungen/Zeitschriften anonym), nicht im Bundestag sprechen dürfte.
Wir sind Papst? Ich jedenfalls nicht.
__________________ "Dobby hat sich zur Strafe die Hände gebügelt."
Meine Fanfictions:
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22.09.2011 16:59 |
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Ich hab dazu zwei Meinungen.
Einerseits ist der Papst als Gastredner im Bundestag ebenso zu hinterfragen und kritisieren wie andere Gastredner auch. Dies kann sowohl die Ursache in der Person als auch in ihrem Amt bzw. ihrer Tätigkeit haben. So wie ich die Auftritte von Putin und Bush kritisieren würde, würde ich auch den Auftritt des Papstes kritisieren. Die Institution an sich passt nicht in den Bundestag und die Person dazu mangels fortschrittlicher Perspektive ebenso wenig. Zudem fehlt es einem Papst natürlich nicht an Möglichkeiten das Wort zu ergreifen und gehört zu werden. Ein Gastredner sollte vielleicht sein, wer sonst nur schwer gehört wird, dem aber aus bestimmten Gründen unbedingt zugehört werden sollte.
Andererseits ist der Papst Oberhaupt der katholischen Kirche und diese spielt in Deutschland noch immer eine große Rolle. Ich will das Fass hier nicht aufmachen, aber nur daran erinnern, dass Staat und Kirche in diesem Land immer noch verbandelt sind. Hinzu kommen die nach wie vor Millionen Gläubigen für die der Papst nunmal eine bedeutende Persönlichkeit ist. Bei einer herausgehobenen Person des öffentlichen Lebens kann man schon darüber nachdenken, solche Menschen von Zeit zu Zeit im Bundestag sprechen zu lassen. Sie haben vielleicht etwas zu sagen und sie werden von vielen Menschen gern gehört.
Speziell an diesem Papst reizt mich sein hoch intellektuelles Niveau. Dankenswerter Weise hat er es in seiner Rede auch wieder unter Beweis gestellt. Nachdem ich in den letzten Tagen wieder mehr Bilder von ihm gesehen habe, bin ich erschreckt wie schnell er seit seiner Ernennung gealtert ist. So war auch sein Gang im Bundestag ohne jede Leichtigkeit. Doch kaum am Pult spricht er mit klarer Stimme und anstatt sich mit alltäglichen innerkirchlichen Problemen zu befassen, nutzt er die Gunst der Stunde und hält den Abgeordneten eine kleine Vorlesung. Ich würde daher durchaus von einem gelungenen Auftritt sprechen. Zwar tat er so dem Bundestagspräsidenten nicht den Gefallen den Weg der Katholischen Kirche in die Zukunft zu weisen, aber das erwarte ich von diesem Papst soundso nicht mehr. Man spricht immer von dem Stuhl auf dem man sitzt. Ratzinger hat sich schon lange für die Fortsetzung des Kurses seines Vorgängers entschieden ohne diesen jedoch mit großen Auftritten und einer solchen zahl an bedeutungsvollen Reisen anreichern zu können. Wir erleben aus meiner Sicht ein Pontifikat des Übergangs. Benedikt hat auf die abendländischen Wurzeln in Jerusalem, Athen und Rom verwiesen (und ist damit weitsichtiger als so mancher CDU-Abgeordnete), die Zukunft der Katholischen Kirche aber gehört ganz anderen Kontinenten. So wie dem Christentum und der Katholischen Kirche im besonderen in Europa ihre Allmacht streitig gemacht wurde, muss die Katholische Kirche und insbesondere der Vatikan einen Weg über Europa hinaus finden.
Oder kurz: Ich hätte ihn nicht eingeladen, aber ein Aufreger ist es für mich nicht.
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Cellmorbasg: 22.09.2011 18:06.
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22.09.2011 17:54 |
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kota
Schülerin
Dabei seit: 10.08.2010
Herkunft: Deutschland
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der spiegel ist generell anti- papst und anti-kirche, das sollte man nicht so ernst nehmen was die schreiben. und da der papst nicht nur oberhaupt der rk ist sondern auch staatsoberhaupt vom vatikanstaat ist, hat er das recht wie andere staatsoberhäupte im bundestag zu reden. und die die im intolleranz vorwerfen sollten sich mal fragen wie tolerant sie selbst wären wenn ihnen ihre kinder sagen mama/papa ich bin schwul/lesbich.
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22.09.2011 18:55 |
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Hier ist die Rede abgedruckt:
Ich finde sie ok. Ich verstehe auch nicht, was am Papst-Auftritt schlimmer als an Putins Auftritt ist.
__________________ "Wir leben in einem Zeitalter der Massenverblödung, besonders der medialen Massenverblödung." (Peter Scholl-Latour)
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22.09.2011 18:58 |
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kota
Schülerin
Dabei seit: 10.08.2010
Herkunft: Deutschland
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eine billige behauptung ist das nicht ich weiß es aus erfahrung.
ich habs verwechselt anti ist nicht der spiegel sondern der stern.
ein gerelles recht im bt zu reden haben staatsoberhäupter nicht, aber wenn man es einem putin erlaubt was ist dann das problem es dem papst zu gestatten. oder haltet ihr putin tatsächlich für einen lupenreinen demoratenwie schröder wie ihn einst nannte.
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22.09.2011 19:47 |
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Harry62442
Schüler
Dabei seit: 11.10.2005
Alter: 30
Herkunft: MäcPomm
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Der Papst ist in gewisser Weise ehrlicher als Putin- er spricht offen aus, dass er denkt unkritisierbar und unfehlbar zu sein.
Die katholische Kirche hat auch in jüngerer Vergangenheit oft bewiesen, dass sie ein reines Machtinstrument ist, das über das Werkzeug des Glaubens von einer kleinen Gruppe Leute gelenkt wird. Dabei tut sie nur Gutes, wenn es als Nebenprodukt anfällt.
Dem Oberhaupt dieser Gruppierung mehr Beachtung zu schenken als jedem anderen geldgierigen Diktator, halte ich für falsch.
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22.09.2011 20:06 |
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Bernhard Nowak
Schüler
Dabei seit: 26.08.2004
Alter: 60
Herkunft: Rödermark
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Der Papst redet hier in seiner Funktion als Staatsoberhaupt. Und außerdem hielt er eine durchaus interessante Rede, die intellektuell hochwertig war. Man kann ihn und seine Kirchenpolitik m.E. zu recht kritisieren. Man kann auch die Rede kritisieren Aber ich finde, man sollte dann erst einmal zuhören, was er sagt. Hat man zugehört, kann man ihn immer noch kritisieren. Nicht zuzuhören oder während der Rede den Plenarsaal zu verlassen, ist aus meiner Sicht ein Zeichen von mangelnder Toleranz. Wie soll ein Dialog mit der Kirche geführt werden, wenn man dem Papst nicht zuhört. Und Zuhören ist die Voraussetzung einer argumentativen Auseinandersetzung mit dem, was der Papst vertritt. Wenn Wladimir Putin als russischer Präsident im Bundestag reden darf (mit seiner KGB-Vergangenheit, Stichwort: Anna Politkowskaja, "gelenkte Demokratie"), dann darf dies m.E. auch das vatikanische Staatsoberhaupt - der "Staatschef" des Vatikan, der vom Ältestenrat des Bundestages einstimmig - mit dem Votum aller Parteien - in den Bundestag eingeladen worden ist.
Die Papstrede ist hier nachlesbar:
So kann sich jeder ein Urteil über diese Rede selber bilden.
__________________ King: You're a monster, Urquhart.
Urquhart:You might very well think that, Sir, but your opinion doesn't count for very much now, does it? Good day, Sir.
Ian Richardson in: "House of cards, Teil 2: To play the King"
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Bernhard Nowak: 22.09.2011 20:43.
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22.09.2011 20:26 |
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Einen Anspruch, vor dem Bundestag zu sprechen, hat der Papst nicht. Jede Einladung, vor einem Parlament zu sprechen, ist eine Geste besonderer Wertschätzung. Weizsäcker hat in den 80ern als Bundespräsident vor dem englischen Parlament gesprochen, Johannes Rau vor mehr als zehn Jahren vor der Knesset.
Es ist also guter Brauch, fremde Staatsoberhäupter gelegentlich vor dem eigenen Parlament sprechen zu lassen.
Der Papst ist Oberhaupt des Heiligen Stuhls. Der Heilige Stuhl ist ein Völkerrechtssubjekt sui generis (= eigener Art). Deutschland unterhält diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl. Ich war übrigens mal in der deutschen Vertretung beim Heiligen Stuhl in Rom, die sind wirklich keine Zweigstelle der Deutschen Botschaft in Italien.
Als Oberhaupt dieses Völkerrechtssubjekts ist es zulässig, den Papst einzuladen, vor dem Bundestag zu sprechen.
Es ist übrigens gute parlamentarische Tradition (oder sollte sie sein), daß der Redner seine Haltung vertritt, auch wenn sie nicht von allen geteilt wird.
Um Mißverständnisse zu vermeiden: Ich bin Atheist und nicht einmal getauft.
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23.09.2011 00:35 |
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Um den Papstbesuch zu verteidigen sollte man sich aus meiner Sicht nicht auf die Position zurückziehen, dass er wie andere Staatsoberhäupter vor ihm spricht. Er mag formal als solches eingeladen worden sein, aber seine weltliche Funktion kann nunmal nicht getrennt werden von seiner kirchlichen Funktion. Neben den Worten von Benedikt selbst zu dem Thema sei an die Begrüßung von Lammert mit Heiliger Vater erinnert - nicht Heiliger Stuhl, nicht Staatsoberhaupt des Vatikanstaates. Er sprach eben nicht nur als Staatsoberhaupt, sondern auch als Papst. Alles andere ist Verarschung der Leute.
Schlimm ist das deshalb nicht. Es haben auch schon andere Nicht-Staatsoberhäupter im Bundestag geredet, erinnert sei hier nur an Kofi Annan. Auch unsere Bundeskanzlerin - nicht als Staatsoberhaupt bekannt - durfte schon in anderen Parlamenten reden.
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23.09.2011 08:23 |
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cal50cartridge
Schüler
Dabei seit: 24.12.2010
Alter: 37
Herkunft: Papenburg
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Da ich als Anhänger des fliegenden Spaghettimonsters den Papst nicht anerkenne hat er für mich als Oberhaupt einer Institution mit der ich nichts anfangen kann auch rein gar keine Bedeutung. Als Staatsoberhaupt habe ich nix gegen ihn aber mich regt es auf das ein einzelner Mensch, der er ja nun mal ist, anderen Leuten vorschreiben will das sie Freitags Fisch zu essen haben, ansonsten kämen sie in die Hölle. Von daher habe ich den Papstbesuch auch soweit als möglich boykottiert da klar war, dass nicht (nur) über Politik sondern über Religion geredet wird.
__________________ Jeder Tag an dem man nicht gelacht hat, ist ein verlorener Tag
(Charlie Chaplin)
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23.09.2011 09:17 |
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Wie boykottiert man jemandem zu dem man nach eigener Aussage als Anhänger des fliegenden Spaghettimonsters gar keinen Bezug hat?
Und wie passt dann diese öffentliche Einlassung ins Bild mit der du ihn ja doch zum Thema für dich selbst machst?
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23.09.2011 09:31 |
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cal50cartridge
Schüler
Dabei seit: 24.12.2010
Alter: 37
Herkunft: Papenburg
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Ok boykottiert ist wirklich der falsche Ausdruck...sagen wir eher ich habe mich nicht wirklich mit dieser Thematik beschäftigt...
Und nur weil ich jemanden nicht anerkenne, heisst das ja nicht das ich nicht meine Meinung zu seiner Tätigkeit habe.
Jeder der will kann gerne an ihn glauben. Ich tus nicht. Aber trotzdem kann er ja als Staatsoberhaupt was drauf haben.
__________________ Jeder Tag an dem man nicht gelacht hat, ist ein verlorener Tag
(Charlie Chaplin)
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23.09.2011 13:43 |
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casey
Schüler
Dabei seit: 09.07.2009
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Ich habe kein Problem damit, dass er im Bundestag spricht (gesprochen hat). Viel mehr habe ich mich drüber aufgeregt, dass, als Angela Merkel ihn einmal kritisiert hat (ich glaube, es ging um diesen Holocaust-Leugner, dessen Exkommunikation von Ratzinger aufgehoben worden ist), CDU und CSU die Ansicht vertraten, man dürfe ihn nicht kritisieren. Das finde ich weitaus schlimmer.
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23.09.2011 18:00 |
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Luy
Schüler
Dabei seit: 05.09.2011
Herkunft: Nimmerland
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Ich finde es lächerlich. Es ist in etwa so, wie wenn Ayatollah Chamenei seine weisen Worte verkündigen wollte. Und da würde es wesentlich mehr Bedenken und Proteste geben.
In seiner Rede mag ja so etwas wie religiöse Intellektualität aufscheinen - bei näherem Hinsehen lässt sich aber leicht feststellen, dass ein Hans Küng oder Erich Fromm zum selben Thema wesentlich mehr und interessanteres an Inhalt und klaren Worten zu bieten hat als der Papst. Abgesehen davon spricht er in allererster Linie als das - als Papst.
Davon abgesehen braucht man sich ja nur die Entstehungsgeschichte des Vatikans anzuschauen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass das alles überflüssiges altfaschistisch gefördertes Brimborium ist, das niemand braucht:
Es ist immer wieder bemerkenswert, was man in der Schule lernt - auch in katholischen Schulen nicht!
Das mit dem Wiliamson ist eigentlich ein alter Hut. Viel mutiger wäre es, die ganzen Vergewaltigungen und Misshandlungen in kirchlichen Einrichtungen anzuprangern und zu kritisieren. Ebenso der von der katholischen Kirche in manchen Ländern gesetzlich und politisch mitunterstützte Femizid in Form eines totalen Verbots von Abtreibungen. Ich kann diese Person und alles dahinter einfach nicht ernstnehmen. Ernstzunehmen ist aber sein politischer Einfluss, und das Geld, das für diese Person und die Institution dahinter rausgeschmissen wird ebenso wie das in den normalen Steuern enthaltene den Kirchensteuern an die katholische Kirche abgeführte Geld (manche Leute beschweren sich ja wg. der Ausübung von Grundrechten in Form von Demos über das "rausgeschmissene" Geld - aber beim Papst ist das ok).
Wahre Worte: Die "Papst GmbH" -
Was den Boykott angeht: Jeder Parlamentssitz bzw. die normalerweise daraufsitzende Person repräsentiert eine parlamentarische Stimme. Und die kann und darf sich auch enthalten oder verneinen in Form von Nichterscheinen. Man kann das als respektlos ansehen - aber das ist Meinungsvielfalt. Eine "Einladung" hingegen entspricht nicht der "Meinungsvielfalt" - ansonsten müsste ja jede Person x, die in irgendeiner Weise einen hohen Posten in einem Staat hat, eingeladen werden müssen. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass der Herr Bundespräsident eben nicht im Namen des Volkes spricht und ihn das auch nicht interessiert. Geschweige denn das Leid und die Meinung von Betroffenen, die unter der Kirche zu leiden hatten und teilw. haben.
Schlussendlich fällt mir zu diesem ganzen überkandidelten Zirkus nur ein Wort ein: Scheinheilig.
__________________ "Es gibt Reichtümer, an denen man zugrunde geht, wenn man sie nicht mit anderen teilen kann."
(aus Momo)
Michael Ende
Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Luy: 26.09.2011 21:04.
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26.09.2011 20:56 |
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