Das GENERATIONENMANIFEST |
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Eben, genau das ist das Problem mit diesem speziellen Manifest.
Meine Vermutung, die nur meine persönliche Vermutung ist, ist dass das Verhältnis zur Elterngeneration eine Rolle spielt. Für die politisch aktiven Jugendlichen der 68er und 80er Generation war ein wesentlicher Bestandteil der Motivation das Aufbegehren gegen oder zumindest das Loslösen von der Elterngeneration, oder gegen Autoritäten generell. Es gab grundlegende Unterschiede in der politischen Einstellung, in kulturellen Vorlieben, in gesellschaftlichen Wertvorstellungen, und diese Leute sind autoritär erzogen worden. Das Reibungspotenzial war viel gröÃer. Heute ist das nicht mehr in diesem Maà der Fall. Die Elterngeneration sind selber die 68er und 80er Generation, die diese Angriffsflächen nicht mehr bietet. Die gehen eher noch selber demonstrieren. Das paradoxe Resultat ist, dass die Jugendlichen gar nicht mehr "lernen", aufzubegehren.
Der Effekt ist aber derselbe wie beim Nichtwählen. Indem man die Regierung, die einem nicht passt, nicht abwählt oder nicht mindestens eine Opposition wählt, legitimiert man sie indirekt.
Modelltheoretisch endet es damit, dass an den "Rändern" (damit ist nicht nur "rechts" und "links" gemeint, sondern z.B. auch "grün", eben alles, was sich nicht mehr vertreten fühlt) neue Parteien entstehen - wie man ja derzeit sehen kann und auch mit der Entstehung der Grünen schon sehen konnte. Und die GroÃen werden dann, wenn die Stimmenverluste zu stark werden, versuchen, diese Interessen wieder zu integrieren.
Ja, natürlich. Ich sagte ja, die Medien sind ein groÃes Problem. Dennoch muss ungeachtet aller Verlegerinteressen eine Zeitung auch kostendeckend arbeiten, und das geht nur, solange - in Print oder im Internet - auch gelesen wird. Wenn sie ausschlieÃlich vorgefertigte Artikel druckt und Hofberichterstattung abliefert, verliert sie Leser. Das ist der StZ passiert, der nach dem 30.9. massenweise Abos gekündigt worden sind. Das Ergebnis war diese Kehrtwende, und ein paar sehr guten Journalisten, die die Zeitung durchaus hat, wurde wohl der Maulkorb entfernt.
Ob das Fortschritt ist oder nicht, kann man, so dilettantisch wie es gemanaget wird, schon ganz ungeachtet der dahinter stehenden Absichten in Frage stellen. Es ist jedenfalls eine Veränderung, die auf veränderte gesellschaftliche Präferenzen reagiert, die ihrerseits auf das Auftauchen von Grünen und Linken zurückzuführen sind.
Rassistische Ausschreitungen gab es auch schon vorher, und sie sind nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich die Politik bestimmter Probleme einfach nicht annimmt und die Bürger und Gemeinden damit alleine lässt. Die Agenda, Bologna etc. haben wir unserer gloriosen Globalisierung zu verdanken, von der die politische Linke ("Internationale") vor nicht allzulanger Zeit völlig begeistert war (man wollte ja unbdingt von reichen Ländern zu ärmeren umverteilen, ohne sich so genau zu überlegen, was für "Nebenwirkungen" das vielleicht hat; das Resultat hat man jetzt), und zum Teil jetzt noch ist. Der Ãberwachungswahn scheint heute nur deshalb stärker ausgeprägt, weil die technischen Möglichkeiten heute ganz andere sind. In RAF-Zeiten hätte man in Deutschland mit diesen Möglichkeiten noch ganz anders als heute agiert.
Ich sehe das schon auch so, dass das gemessen an dem, was erforderlich wäre, viel zu langsamt geht. Das Problem sehe ich aber eher in den 16 Jahren Stillstandszeit unter Kohl, in denen der Karren in den Dreck gefahren wurde. Versäumte Reform der Sozialsysteme, versäumter Umbau des Energiesystems, Fehlentscheidungen beim Management der deutschen Wiedervereinigung, die Eurozone, Ãberregulierungen auf dem Arbeitsmarkt und auch sonst überall, nur nicht dort, wo es sinnvoll gewesen wäre. Alles Dinge, die die Nachfolgeregierungen auszubaden hatten und dafür abgestraft wurden. Selbst Merkel kann man das Eurozonen-Debakel nur bedingt anlasten, denn dieses Konstrukt wurde in dieser Form unter Kohl etabliert.
Parteizugehörigkeit muss auÃerparteiliches Engagement ja nicht ausschlieÃen. Ich bin der Meinung, dass beides wichtig ist.
__________________ "Wir leben in einem Zeitalter der Massenverblödung, besonders der medialen Massenverblödung." (Peter Scholl-Latour)
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09.08.2013 08:11 |
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Luy
Schüler
Dabei seit: 05.09.2011
Herkunft: Nimmerland
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Ich glaube, die "Moral"vorstellungen waren damals vll eher ein Knackpunkt und es kam aus der Wissenschaft die entsprechende "Unterstützung" in Form von Erfindungen wie der Pille usw. Was aber die politische Einstellung (heute) angeht: Die muss man erstmal haben! Der GroÃteil scheint mir irgendwie "Meinungen" zu haben, aber keine Ãberzeugungen, keine Welt- oder Menschenbilder. Bei den "normalen" Ãlteren kommt es mir so vor, als ob viele selbst mal (2mal oder so) demonstrieren gegangen sind, es aber heute nicht mehr tun würden, aber immer noch teilweise progressivere Einstellungen haben als manche Jüngeren
Es gäbe eigentlich eine Menge aufzubegehren und das müssten nicht mal "abstrakte" Dinge sein, das könnten sehr lebensnahe, einen selbst betreffende Dinge sein. Aber das meiste gilt eben als normal und unhinterfragbar, auch wenn es unangenehm ist. Es wird sich damit arrangiert bzw. man lässt sich kaufen. Da man ja Zeit opfert (Schule, Ausbildung, Arbeit) braucht es ja eine Art von Entschädigung und das ist die gemeinsame Sauferei oder sonst irgendwas dolles, in der Freizeit.
In dem Interview wurde das mMn nochmal treffend auf den Punkt gebracht:
Und: In den 80ern gabs halt noch groÃe Themen, die auch groÃe Teile der Bevölkerung "bewegt" haben oder zumindest nicht völlig kalt lassen konnten. Atomwaffen waren ein Riesen-Thema. Atomwaffen gibts immer noch - aber nicht mehr die damalige Situation und damit hat sich das Thema erledigt. Im Moment scheint nichts da zu sein, dass für einen GroÃteil überhaupt gleichermaÃen relevant ist. Und auÃerdem lernen sie früh: Wenn du kein Abi hast, kriegst du keinen Arbeitsplatz etc., sie dürfen Vergleichsarbeiten und Pisa-Tests mitschreiben und kriegen seit Schuleintritt gesagt: Das, was du bist, wird niemals genügen. Das, was du leistet, wird niemals reichen.
Ich glaube, das ist Ansichtssache. Für mich ist das eine Absage, weil ich meine Stimme absichtlich ungültig mache und sie keiner Partei gebe, auch keiner Regierungspartei. Damit ist sie für mich delegitimiert. Ich nehme eben noch am Legitimationsverfahren teil - was sich aber ja auch als Legitimation verstehen lässt. Ich finde, das hat alles so seinen Haken und so richtig raus kommt man aus der Nummer mMn nicht, egal was man macht. Optimal finde ich das nicht - aber ich gehe auch davon aus, dass ein sehr hoher absichtlicher Ungültig-Wähler-Anteil (sagen wir mal optimistisch 5 % oder so) wesentlich provozierender und delegitimierender wirken würde als das Nicht-Wählen. Wird zwar nicht eintreten...aber was solls.
Ich denke, dass die rassistischen Ausschreitungen, zumindest einige in den 90ern, auch gewollt waren, um den "Asylkompromiss" durchzukriegen. Grade bei den ÃuÃerungen von Politikern zu Rostock-Lichtenhagen hat eine interessante Täter-Opfer-Verschiebung stattgefunden: Problem waren dann nicht mehr die katastrophalen Zustände, das Untätigsein der Behörden etc, das Problem waren die Existenz bzw. die Anwesenheit der Flüchtlinge selbst, die unter Applaus weggebracht und später abgeschoben worden sind. Und der rassistische Mob ist darauf total eingestiegen. Ich glaube, dass dahinter mehr steckt als nur die offenkundigen Probleme. Es wäre doch viel naheliegender gewesen, statt auf die Schwächsten loszugehen, die dafür nicht verantwortlich sind, an die Politik ranzugehen. Aber an die kommt man schwerer ran als an ein unbewachtes Flüchtlingsheim, in dem zudem noch "Ausländer", vermeintliche "Wirtschaftsflüchtlinge" bzw. "Arme" leben und "anders" aussehende + angebliche kriminelle Subjekte ohne Ende. Diese Art von Sozialdarwinismus, dass doch bitte schön nur existenzberechtigt ist, wer auch Leistung bringt und "andere" per se verdächtig sind, ist mMn die Grundlage für Rassismus und Faschismus und leider wird das Kindern und Jugendlichen an viel zu vielen Ecken beigebracht. Und psychologisch spielt da natürlich auch vieles rein, denke ich:
Ich finde das sehr bedenklich, denn mir scheint, dass wir von gewissen Unzeiten nicht so weit weg sind, wie es manchmal (oder eher: manchen) scheint.
__________________ "Es gibt Reichtümer, an denen man zugrunde geht, wenn man sie nicht mit anderen teilen kann."
(aus Momo)
Michael Ende
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Luy: 21.08.2013 00:24.
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21.08.2013 00:21 |
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__________________ "Wir leben in einem Zeitalter der Massenverblödung, besonders der medialen Massenverblödung." (Peter Scholl-Latour)
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30.03.2014 19:31 |
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__________________ âUm ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muà man vor allem ein Schaf sein.â
Albert Einstein
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30.03.2014 20:14 |
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In meinem persönlichen Umfeld zeigt sich ähnlich deutlich wie hier im Forum das Desinteresse der absoluten Mehrheit der jüngeren Menschen (sagen wir mal bis 40 Jahre) an Politik. Darauf weist u.a. auch dein Zitat zur Wahlbeteiligung hin.
Seit vielen Jahren wird Politik zu Lasten vor allem der jüngeren Menschen gemacht. Darauf habe ich schon öfters hingewiesen. Insofern zitierte ich in meinem vorangegangen "Beitrag" Luy.
Wer sich nicht beteiligt, im Zweifelsfall nicht protestiert, sollte sich später nicht über die Ergebnisse beklagen. Dies gilt nicht nur den minimalen Aufwand wählen zu gehen.
__________________ âUm ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muà man vor allem ein Schaf sein.â
Albert Einstein
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30.03.2014 22:04 |
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