Atompolitik und Energiewende |
Bernhard Nowak
Schüler
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Atompolitik und Energiewende |
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Um den Thread über Erdbeben und Tsunami in Japan nicht mit der deutschen Atomdebatte in Deutschland nach Fukushima zu belasten, eröffne ich deshalb hier einen neuen Thread dazu. Hier können neue Meldungen eingestellt werden und es kann auch über Atompolitik diskutiert werden.
RWE wird am Freitag Klage gegen die Stillegung von Biblis A einlegen:
In der FDP gibt es einen Richtungsstreit über die Atompolitik in Deutschland, nachdem FDP-Generalsekretär Lindner - ob mit oder ohne Rücksprache mit dem (noch?) amtierenen FDP-Vorsitzenden Westerwelle die endgültige Stillegung der jetzt vorübergehend für drei Monate abgeschalteten AKWs gefordert hat:
In diesem Thread sei auch ausdrücklich auf die Sonderseite "Atomdebatte" der FAZ verwiesen:
Zur konkreten Klage von RWE gegen Biblis A ist z.B. folgende Seite hilfreich:
In diesem Zusammenhang ist auch diese Seite interessant, auf die Cellmorbasg dankenswerterweise im Japan-Thread hingewiesen hat:
__________________ King: You're a monster, Urquhart.
Urquhart:You might very well think that, Sir, but your opinion doesn't count for very much now, does it? Good day, Sir.
Ian Richardson in: "House of cards, Teil 2: To play the King"
Dieser Beitrag wurde 6 mal editiert, zum letzten Mal von Bernhard Nowak: 16.02.2013 13:44.
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31.03.2011 21:18 |
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Hier gilt immer noch der Grundsatz "ein Blick in das Gesetz fördert die Rechtskenntnis". Es reicht aus, sich mal § 19 III AtG durchzulesen, um sich über die Rechtslage zu informieren:
Es ist wirklich Subsumtion für die Blöden, festzustellen, daß § 19 III AtG keine tragfähige Grundlage für die Abschaltverfügung darstellt. Wenn die Politik uns etwas anderes weismachen will, beleidigt sie die Intelligenz von so ziemlich jedem.
Ich kann mir übrigens schon vorstellen, wie die Klageschrift aussehen könnte - zumindest reicht ein kurzer Schriftsatz, auch wenn die hochbezahlten Anwälte der AKW-Betreiber sicher mehr schreiben, um ihre Kostennote zu rechtfertigen:
KLAGE
(Aktivrubrum)
Prozeßbevollmächtigte: ....
g e g e n
(Passivrubrum)
Namens und in Vollmacht der Klägerin erheben wir Klage gegen die Beklagte und bitten um einen nahen Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem wir beantragen werden wie folgt zu erkennen:
1. Die Verfügung der Beklagten vom ... - zugestellt am ... - wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der angegriffene Verwaltungsakt ist in Ablichtung beigefügt.
Begründung:
Die Klage ist innerhalb der Monatsfrist ab Zustellung des angegriffenen Verwaltungsaktes erhoben worden und damit zulässig. Ein Widerspruchsverfahren ist nicht eröffnet.
Der angegriffene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Mit dem angegriffenen Verwaltungsakt hat die Beklagte verfügt, daß die Klägerin das von ihr betriebene Kernkraftwerk Biblis A abzuschalten habe. Gestützt wurde die Verfügung auf § 19 Abs. 3 Nr. 3 AtG mit der Begründung, durch Ereignisse in einem Atomkraftwerk in Fukushima/Japan sei eine Lage entstanden, die die Anordnung der Abschaltung rechtfertige.
Die angegriffene Verfügung ist ohne Rechtsgrundlage erlassen worden und belastet die Beklagte. Eine hinreichende Eingriffsgrundlage ist in § 19 Abs. 3 Nr. 3 AtG nicht zu erblicken.
Voraussetzung für einen Eingriff nach § 19 Abs. 3 Nr. 3 AtG ist entweder, daß der Betreiber eines Kernkraftwerks gegen Bestimmungen - Gesetze, Rechtsverordnungen, Auflagen und dergleichen - verstößt, oder, daß ein Zustand eingetreten ist, der konkret die Freisetzung ionisierender Strahlung in einem gefährlichen Ausmaß besorgen läßt.
Daß die Klägerin gegen Bestimmungen verstoßen habe oder noch verstößt, behauptet selbst die Beklagte nicht.
Es ist auch kein Zustand eingetreten, der die Freisetzung ionisierender Strahlungen besorgen läßt. Vielmehr ist die Abschaltungsverfügung einer eher abstrakten Besorgnis geschuldet, die ihren Grund in der Naturkatastrophe und den nachfolgenden Ereignissen in Japan haben und sich nicht auf konkrete Anknüpfungspunkte in Bezug auf die technischen Anlagen gründen. Derartige Anknüpfungspunkte liegen im Kernkraftwerk Biblis A nicht vor und werden von der Beklagten auch nicht behauptet.
Die bloße Besorgnis aufgrund von Ereignissen in Japan ist für einen Eingriff nicht ausreichend und stellt jedenfalls keinen Eingriffsgrund i.S.d. § 19 Abs. 3 Abs. 3 AtG dar. Anderweitige gesetzliche Grundlagen, nach denen die genannte Besorgnis für ein Eingriffshandeln ausreicht, sind nicht ersichtlich.
Die Verfügung vom .... ist daher aufzuheben.
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Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Krabbentaucher: 31.03.2011 23:45.
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31.03.2011 23:41 |
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Bernhard Nowak
Schüler
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Ich fürchte auch, dass die Klage von RWE gegen die Abschaltung von Biblis A gute Erfolgschancen haben könnte, weil die Abschaltung mit Paragraph 19 Abs. 3 Atomgesetz begründet worden ist.
Indessen bleibt die Regierung uneinig, was die "Ergebnisoffenheit" der Prüfung der AKWs betrifft (vgl. hier: ) und SPD-Fraktionschef Steinmeier soll angeboten haben, als "Geste des guten Willens" die Verfassungsklage der SPD-geführten Bundesländer gegen die Laufzeitverlängerung zurückzuziehen.
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Ian Richardson in: "House of cards, Teil 2: To play the King"
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01.04.2011 19:19 |
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Bernhard Nowak
Schüler
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Themenstarter
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Ich finde Steinmeiers Äußerung auch unmöglich, zumal es bei der Klage ja um mehr geht: um Mitbestimmungsrechte des Bundesrates bei der Laufzeitverlängerung. Zwar hat auch die damalige Regierung Schröder/Fischer den Bundesrat bei der Atomnovelle der rot-grünen Regierung nur angehört und das Gesetz als nicht-zustimmungspflichtig angesehen. Aber damals ging es um den Atomausstieg. Daher hat das Bundesverfassungsgericht eine Klage der damaligen hessischen Landesregierung unter Roland Koch abgelehnt. Kochs Regierung war der Auffassung, der Bundesrat hätte bei der Atomnovelle 2003 zustimmen müssen. Die Bundesregierung hatte seit den Wahlen in Hessen im Februar 1999 keine eigene Mehrheit im Bundesrat mehr. Das BVerfG hat aber damals die Rechtsauffassung der Bundesregierung bestätigt.
Hier geht es aber um eine Laufzeitverlängerung und somit um Kosten, die auf die Bundesländer durch den Weiterbetrieb der AKWs zukommen, denn die Landesregierungen haben ja die Aufsichtspflicht, der Bundesumweltminister ist allerdings weisungsbefugt.
Es wäre m.E. also wichtig, die Klage der Bundesländer aufrecht zu erhalten, um endgültig zu klären, ob der Bundesrat bei der Entscheidung der Bundesregierung und des Bundestages übergangen worden ist oder nicht. Und in der Tat können nur die SPD-geführten Bundesländer, nicht die Bundestagsfraktion und Steinmeier, über die Rücknahme der Klage entscheiden, denn sie - und nicht die Bundestagsfraktion - haben geklagt.
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Ian Richardson in: "House of cards, Teil 2: To play the King"
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01.04.2011 19:44 |
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Röttgen hat das aber nicht formell angeordnet. Das ist ja das Unding an der ganzen Sache. Die Bundesregierung baut Mist, und die Länder haben dann die Klagen auszubaden. Besonders toll ist das in Baden-Württemberg, wo die EnbW praktisch zu 100 Prozent dem Land, den Kreisen und Stadtwerken gehört. Klagt die EnBW, dann klagt sie gegen ihre eigenen Eigentümer. Klagt sie nicht, hat das Land und die Kommunen den Schaden aus den Einnahmenausfällen. In jedem Fall hat das Land den Schaden.
Ich hoffe, dass sie bei ihrer Sicherheitsüberprüfung auch die Einbruchssicherheit überprüfen. Im Moment ist man ja nichtmal in der Lage Greenpeace davon abzuhalten, alle Jahre wieder auf eine Reaktorkuppel oder einen Kühlturm zu klettern.
__________________ "Wir leben in einem Zeitalter der Massenverblödung, besonders der medialen Massenverblödung." (Peter Scholl-Latour)
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01.04.2011 21:35 |
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Bernhard Nowak
Schüler
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Genau das ist ja das merkwürdige: es gibt weder eine Anordnung des weisungsberechtigten Bundesumweltministers zur Abschaltung der Schrottreaktoren noch gibt es die Absicht der Bundesregierung, ein Gesetz zum Atom-Ausstieg zu formulieren. Der Verdacht, das ganze sei Wahlkampftaktik, drängt sich daher auf. Nur hat sich jetzt - nach den Wahlniederlagen - die Debatte verselbstständigt und die furchtbaren Bilder aus Japan zeigen nun auch jedem, wie unsicher Atomenergie ist.
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Ian Richardson in: "House of cards, Teil 2: To play the King"
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Bernhard Nowak: 01.04.2011 21:50.
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01.04.2011 21:50 |
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Vorpommern bleibt also wieder außen vor. Und das wo die Kanzlerin in der Region ihren Wahlkreis hat: oberpeinlich.
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02.04.2011 09:57 |
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Alex22
Schüler
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Zum Glück hab ich die Aktie verkauft.
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02.04.2011 10:04 |
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Bernhard Nowak
Schüler
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Spiegel Online vermutet einen Machtkampf in der schwarz-gelben Regierungskoalition zwischen Atombefürwortern und -gegnern:
Ich bin mir - gerade was die Haltung der Kanzlerin angeht - gar nicht sicher, ob es sich wirklich um einen Machtkampf handelt oder um Augenwischerei. Der von Cellmorbasg hier verlinkte Beitrag macht dies ja auch deutlich. Frau Merkel will offiziell ein Moratorium, das in Merkels Wahlkreis liegende atmoare Zwischenlager wird jedoch nicht überprüft. Total unglaubwürdig. Und wenn ich jetzt noch lese, dass der Generalsekretär der FDP, Lindner, seine Chancen, Westerwelle als Parteichef zu beerben, durch seine Position, die Alt-AKWS dauerhaft abzuschalten, verloren habe, weil er gegen den wirtschaftsliberalen Flügel der FDP damit nicht mehr durchsetzbar sei, dann spricht dies Bände.
Dass RWE in Bezug auf Biblis A klagt, mag noch verständlich sein, weil RWE in Biblis A viel Kosten investiert hat. Dass aber die Bundesregierung ihr Moratorium mit dem Atomgesetz begründet, ist - wenn sie den Ausstieg wirlich will - fahrlässig, denn Klagen gegen eine solche Begründung dürften erfolgreich sein.
Nach wie vor dürfte ein weiterer Aspekt wichtig sein, den der Spiegel Online Artikel hier anspricht: Merkel und Seehofer sehen, dass es mit der schwindsüchtigen FDP als Koalitionspartner nicht mehr reichen wird und die Mehrheitsfähigkeit der Union als Volkspartei in Gefahr sein wird, wenn es stimmt, dass 55% der Bevölkerung einen schnelleren Atomausstieg wünschen, als es 2003 sogar von rot-grün beschlossen wurde:
Edit: RWE droht damit, den Reaktor Biblis A wieder anfahren zu lassen, wenn keine Anweisung durch die Behörden zur Abschaltung ergehe:
Obwohl ich die Position des folgenden Artikels nicht teile, muss man wohl doch etwas konzedieren: die deutsche Atompolitik wird zur Zeit eher durch Konfusion als durch planmäßiges Handeln bestimmt:
__________________ King: You're a monster, Urquhart.
Urquhart:You might very well think that, Sir, but your opinion doesn't count for very much now, does it? Good day, Sir.
Ian Richardson in: "House of cards, Teil 2: To play the King"
Dieser Beitrag wurde 3 mal editiert, zum letzten Mal von Bernhard Nowak: 02.04.2011 13:01.
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02.04.2011 10:56 |
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Das ist wirklich phänomenal mit diesen Brennelementekugeln. Das müsste praktisch ein Castor-Behälter voll sein, der da anscheinend mit sämtlichen Dokumenten spurlos verschwunden ist. Stoff genug für mehrere Bomben.
Die NRW-Regierung vermutet, sie seien in Asse, das BfS sagt, in Asse könnten sie nicht sein, aus Jülich hört man gar nichts. Auf gut Deutsch, es steht radioaktives Material, eventuell inklusive Plutonium, genug für mehrere Bomben irgendwo herum und kein Mensch weiß, wo es ist. Selbst wenn es in Asse ist, gehört es als hochradioaktives Material dort nicht hin.
__________________ "Wir leben in einem Zeitalter der Massenverblödung, besonders der medialen Massenverblödung." (Peter Scholl-Latour)
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von mandragora: 03.04.2011 15:27.
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03.04.2011 15:25 |
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Ich bin nicht im Detail mit Atombombenbau vertraut, aber ich denke, zwei Kilo U235 dürften ausreichen. Die Hiroshima-Bombe hatte 650 gr., lese ich in der Wikipedia.
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03.04.2011 16:10 |
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