Rowling und der Calvinismus |
Polaris
Schüler
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Rowling und der Calvinismus |
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Ja, ich weiss, das Thema haben wir schon im Thread "Wie findet ihr Dumbledore" bis zum Abwinken durchgekaut.
Da wir uns jedoch inzwischen im "Calvin-Jahr" zum 500. Geburtstag des Reformators Johannes Calvin am 10.07. befinden, habe ich folgendes gefunden:
Aus "De Volkskrant" vom 17.11.2007, seinerseits zitiert in einer Schrift zum Calvin Jahr der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) und Reformierter Bund in Deutschland:: |
Jahrgang 1965, wurde bekannt durch ihre Romanfigur Harry Potter. Rowling ist Mitglied der Church of Scotland Rowling: Ja, er hat Züge eines Messias. Dafür habe ich mich bewusst entschieden. ER ist der Eine aus einer Million, der gegen die Macht aufstehen und selbst der Macht entsagen kann. Das macht ihn zum Weisesten von allen. Rowling: Ich bin offiziell in der Church of England groß geworden. Über den Glauben wurde daheim nie gesprochen. Mein Vater glaubte an nichts, meine Schwester auch nicht. Meine Mutter ging gelegentlich zur Kirche, vor allem zu Weihnachten. Ich war enorm neugierig. Seit ich etwa 13 oder 14 war, ging ich allein zur Kirche. Als ich zur Universität ging, wurde ich kritischer. Ich ärgerte mich immer mehr über die Selbstgenügsamkeit der Gläubigen. INzwischen bin ich wieder, wo ich begann: Ja, ich glaube. Und ich besuche eine protestantische Kirche, hier in Edinburgh. Mein Mann ist auch protestantisch erzogen, er kommt aus einer strengen schottischen Kirche, wo man nicht singen und reden durfte. (...) |
Harry, der Messias, entsagt also der Macht ...
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FF (Alternative zu Band 7):
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06.08.2009 19:54 |
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Wizardpupil
Xperts Fanfiction Wettbewerb Gold-Award-Winner
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06.08.2009 21:04 |
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Polaris
Schüler
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Themenstarter
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Nicht alle. Weltrettung ist nur leider die einzig "wahre". - Heute schon was vor?
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FF (Alternative zu Band 7):
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06.08.2009 21:24 |
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arWen_2000
Schülerin
Dabei seit: 23.06.2009
Herkunft: Schweiz
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@Bernd Nowak
Danke für deine beiden Links! Da meine Freude an Harry Potter (vor allem) durch den 7. Band und seine religiöse Überhöhung doch deutlich geschmälert wurde, sind die Ausführungen zu Rowling u. ihr Bezug zum Calvinismus sehr interessant und erhellend.
(Ich bin ein HP-Neuling und somit habe ich wenig „Hintergrundwissen“.)
Nun kann ich einiges, was mich gestört hat und immer noch stört, besser einordnen.
Stellvertretend (und das betrifft alle Bände und nicht nur den 7. Band) sei hier das Sortieren des Hutes genannt; im Calvinismus ist das dann wohl die bedingungslose Erwählung; oder aber die eigenartige Gleichgültigkeit der erwachsenen Protagonisten gegenüber Ereignissen, welche meines Erachtens verantwortliches Handeln erfordern würden. (So erfahren wir nie, dass auch nur ein Lehrer etwas gegen die unselige Rivalität der Häuser Gryfindor und Slytherin unternommen, kein Lehrer, der ein Gespräch mit den Slytherin-Schülern über ihre Reinblüterideologie gesucht hätte....Sola fide-der Mensch wird nicht durch sein gutes Handeln gerechtfertigt, sondern nur duch sein Glaube.)
Und insbesondere die „HEILIGTÜMER des Todes“ betreffend: Nein, das will mir ganz und gar nicht gefallen, dass wir einen (bebrillten) Heiland brauchen, der uns vom Elend dieser Welt erlöst, soweit uns die Gnade erteilt wurde, ein Gryfindor zu sein. (Aber da ich, wenn man mich schon in eine Schublade stecken will, lieber Köpfchen als Kraft habe, schmore ich eben als Slytherin in der Hölle...)
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„Bedaure nicht die Toten, Harry. Bedaure die Lebenden,“ (
) „und vor allem diejenigen, die ohne Liebe leben. Indem du zurückkehrst, könntest du dafür sorgen, das weniger Seelen verstümmelt werden, weniger Familien auseinandergerissen werden“ (Das würde dann Frau von der Leyen freuen.) Und Harry, du könntest für die Hungernden das Brot brechen, den Dürstenden den Durst stillen und für die sensationsgeile Rita Kimmkorn über das Wasser wandeln. „Wenn dir das wie ein würdiges Ziel erscheint, dann sagen wir einstweilen Lebewohl.“
Amen!!!!!!!!!
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08.08.2009 00:28 |
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Bernhard Nowak
Schüler
Dabei seit: 26.08.2004
Alter: 60
Herkunft: Rödermark
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Meiner Meinung ist der "Masterplan" der Reihe von JKR - zumindest das "Herz des ganzen", soweit ich dies sehe, sehr calvinistisch angehaucht. Harry Potter ist hier der - jesusartige und von Gott auserwählte - Gryffindor-Held, die Gryffindors sind vom Hut (oder von Gott) auserwählt, die Slytherins verfallen ewiger Verdammnis. Der Plan sieht m.E. nach wie vor wie folgt aus:
1.) JKR orientiert sich am Motiv der "Heldenreise" bzw. Entwicklung des Helden (wobei ihr aus meiner Sicht schon dies nicht gelungen ist: es gibt keine Entwicklung des Helden. Dies konnte man nach Band 5 hoffen, hat sich aber m.E. nicht erfüllt.
2.) Voldemort wird durch Harry besiegt, muss aber durch eigene Hand sterben, der Held Harry muss überleben und darf nicht zum Mörder Voldemorts werden
3.) Der Held muss sich scheinbar dafür opfern und den Tod akzeptieren (Motiv: Harry ist ein Horcrux Voldemorts und - wie die Autorin sagte - Voldemort ist in gewissem Maße auch ein Horcrux Harrys)
4.) Es gibt zwar einen Mentor, der muss aber zuvor sterben, damit er nicht anstelle des "Helden" agiert. Der "Held" muss seine Aufgabe alleine erledigen. Helfer sind willkommen, dürfen dem Helden aber nicht die Schau stehlen.
Freie Entscheidungen der Protagonisten und des Helden gibt es nicht, der "freie Wille", von dem Dumbledore und Rowling sprechen, besteht darin, die "göttliche Erwähltheit" zu erkennen und sich danach zu richten, wie in diesem Abschnitt, der zur Calvin-Ausstellung im Berliner Historischen Museums anlässlich dessen 500. Geburtstages entstand, sehr deutlich wird:
Zentrale Stelle hier:
Spannend erscheint mir, wie Snape sich in Band 1 gegen diese "Rollenverteilung" wehrt. Ruhm sei nicht alles, belehrt er Harry. Snape wehrt sich also dagegen - so meine Interpretation dieser Stelle - dass nicht Fähigkeiten, sondern eine "Auserwähltheit" eines "ewigen Gottes" erfolgt, ohne dass der Held seinen "Heldenstatus" verdient hat. Dazu passt im übrigen, dass in Band 1 - als einzigem der Reihe, der deshalb auch mein Lieblingsband bleibt, Hermine und Ron genauso wichtig für das Finale sind wie Harry selber: ohne Rons Fähigkeiten in Zauberschach und ohne Hermines Fähigkeit zu logischem Rätsellösen wäre Harry nie mit Quirrell/Voldemort zusammengetroffen. Den "Helden", der alleine alles richtet, gibt es erst ab Band 2, der Rummel um den "Auserwählten" eigentlich erst ab Band 5. Und wie sehr sich Snape darüber ärgert, dass Harry der "Auserwählte" ist - und möglicherweise nicht er selbst, der durchaus fähige Zaubertrank- und DADA-Lehrer, wird ja im aktuellen Film 6 sehr deutlich gemacht.
Für mich - für andere nicht - deutliche Spuren eines calvinistischen Weltbildes der Autorin, welches sich entwickelt haben kann, also nicht unbedingt seit Band 1 festgestanden haben muß. Ich vermute, die Autorin hat nach dem Tode ihrer Mutter und dem Scheitern ihrer ersten Ehe Halt in der Relgion gesucht, was vollkommen legitim ist und sich dann der calvinistischen Lehre zugewandt und ihr - neu gewonnenes? - Weltbild auf "Harry Potter" übertragen. Denn Band 1 ist unter den erwähnten obigen Aspekten aus meiner Sicht nicht calvinistisch geprägt, erst die späteren Bände - ab dem Finale von Band 4 - sind dies in starkem Maße. Dazu passt, dass das Motiv der Prophezeiung, die in der Fantasy-Literatur ja in der Regel - nicht immer, aber in der Regel - in Erfüllung geht und daher auch von einem "festgelegten Schicksal" ausgeht, nicht schon in Band 3 oder 4, wo sie thematisch durchaus hätte eingebaut werden können, sondern erst in Band 5 in die weitere Handlung eingebaut wird.
__________________ King: You're a monster, Urquhart.
Urquhart:You might very well think that, Sir, but your opinion doesn't count for very much now, does it? Good day, Sir.
Ian Richardson in: "House of cards, Teil 2: To play the King"
Dieser Beitrag wurde 6 mal editiert, zum letzten Mal von Bernhard Nowak: 08.08.2009 16:51.
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08.08.2009 16:33 |
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