Die kleine Hexenjagd: "Modernisierung" klassischer Kinder- und Jugendbücher |
Bernhard Nowak
Schüler
Dabei seit: 26.08.2004
Alter: 60
Herkunft: Rödermark
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Die kleine Hexenjagd: "Modernisierung" klassischer Kinder- und Jugendbücher |
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Das Wort "Neger" soll aus PreuÃlers Kinderklassiker: "Die kleine Hexe" verschwinden. Ulrich Greiner sprach in der "Zeit" gestern (m.E. zu recht) von "kleiner Hexenjagd." Ãhnliches gilt für andere Kinderbuchklassiker wie "Pippi Langstrumpf" von Astrid Lindgren. Ich frage mich: Was soll das? Ich habe nichts gegen behutsame Modernisierung, aber findet nicht hier - entgegen dem Grundgesetz - Zensur statt? Wenn man Axel Hackes Schilderung des Hasses verfolgt, wie auf den Titel seines Klassikers: "Der weiÃe Neger Wumbala" reagiert wurde (der Autor wurde bei Lesungen gar bedroht), dann kann man über diese "Tugendrepublik" m.E. nur den Kopf schütteln.
Greiner schreibt m.E. zu recht:
Und er schreibt weiter oben:
Sehr schön auch folgender Kommentar zu einer Szene aus Michael Endes: "Jim Knopf und Lukas der Lokomitivführer:
Quelle: Ulrich Greiner: Die kleine Hexenjagd: In: Die Zeit. - Dossier. S. 13-14. 17. Januar 2013.
Sobald der Greiner-Beitrag auf Zeit-online verfügbar ist, werde ich ihn hier einstellen.
Weitere Artikel zum Thema:
1.)
2.)
3.)
4.) (lesenswert)
Wir leben m.E. bald wirklich in der "Tugendrepublik Deutschland" (vgl. hier:
__________________ King: You're a monster, Urquhart.
Urquhart:You might very well think that, Sir, but your opinion doesn't count for very much now, does it? Good day, Sir.
Ian Richardson in: "House of cards, Teil 2: To play the King"
Dieser Beitrag wurde 9 mal editiert, zum letzten Mal von Bernhard Nowak: 18.01.2013 15:12.
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18.01.2013 14:39 |
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Beatrix
Schülerin
Dabei seit: 01.03.2007
Herkunft: Bayern
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Ich stimme den Ausschnitten, die du eingestellt hast, absolut zu.
Ich denke nicht, dass man mit Zensur bestimmter Worte weniger Rassismus bekommt. Ich hab als Kind auch noch die Originale gelesen und bin deshalb nicht feindlich gegenüber Schwarzen. Ich habe noch die das Wort "Neger" gegen irgendwen benutzt.
Unter dem Deckmäntelchen der Political Correctness wird die Unmündigkeit der Bürger gefördert.
AuÃerdem stammen diese Bücher aus Zeiten, in denen die Wortwahl eben so war. Heute ist es halt anders und in modernen Büchern wird es nicht mehr verwendet, fertig aus. Warum das alte umschreiben?!!
Zumal man da vom hundersten ins tausendste kommen würde:
Zigeunerschnitzel = Roma- und Sinti- Schnitzel?
"Der Zigeunerbaron" = Roma- und Sintibaron?
Jean- Jaques- Rousseau spricht mehrmals von "den Wilden", was heute auch keiner mehr für indigene Völker benutzt, trotzdem wurden seine Werke nicht umgeschrieben
Was ist mit der "Judenbuche"?
Was ist mit Märchen? Die sind gewalttätig und mit Sicherheit könnten da Leute, die das lesen, auf krude Gedanken kommen, wenn man sie nicht durch Umschreiben davor schützt (Kannibalismus, Vernachlässigung von Kindern, Kindstötung, Frauenverachtung, Leichenschändung, VerstöÃe gegen heutige Tierschutzgesetze etc.)
Zumal in heutigen Kinderbüchern oder auch in der Spielzeugindustrie auch längst überholte, nicht mehr politisch korrekte Dinge wieder extrem zunehmen. Mädchen = Prinzessin = passiv, muss vom Prinzen gerettet werden; Mutter = am Herd, Vater = Familienoberhaupt, das Geld verdient etc.
Für Mädchen ist alles rosa, für Jungen alles blau.
Mädchen fangen immer früher an sich zu schminken, Jungen aber sind Autos oder Technik vorbehalten.
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18.01.2013 17:41 |
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Das heiÃt nicht "mit schwarzer Hautfarbe", das heiÃt "Maximalpigmentierter".
Und die Leute, die die sogenannte oder auch "Modernisierung" verlangen oder betreiben, sind... ähm... andersbefähigt.
__________________
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19.01.2013 00:02 |
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Bernhard Nowak
Schüler
Dabei seit: 26.08.2004
Alter: 60
Herkunft: Rödermark
Themenstarter
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Der Greiner-Artikel ist bislang leider noch nicht auf der Homepage von Zeit Online veröffentlicht worden. Die Gegenposition aber schon:
Ich teile diese Meinung ganz und gar nicht, halte es aber für wichtig, in einem solchen Thread auch die "Gegenposition" zumindest darzustellen.
__________________ King: You're a monster, Urquhart.
Urquhart:You might very well think that, Sir, but your opinion doesn't count for very much now, does it? Good day, Sir.
Ian Richardson in: "House of cards, Teil 2: To play the King"
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23.01.2013 21:17 |
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Ich finde den Zeit-Kommentar durchaus interessant, denn er macht auf ein grundlegendes Problem aufmerksam:
Bei ausländischen Werken hat man es relativ leicht. Da kann man jederzeit neue Ãbersetzungen auflegen und das wird ja auch gemacht. Der Komfort ist ja auch durchaus nicht zu leugnen. Bleiben wir mal bei Rousseau, dann ist es sicher einfach eine aktuelle Ãbersetzung zu lesen anstatt eine von 1800. Das erstmal ganz unabhängig von problematischen Begriffen, sondern nur in Bezug auf die generelle Verständlichkeit. Wenn ein Wort wie Neger nun einen Bedeutungswandel erfahren hat, dann kann es meines Erachtens im Zuge einer Ãbersetzung auf den aktuellen Stand der Sprache durchaus angebracht sein, das Wort zu ersetzen.
Doch das ist der einfache Fall. Wie sieht es aus mit unserem Goethe, müssen wir den eines Tages von Gelehrten übersetzen lassen, so wie die Sachen aus dem althochdeutschen? Das kann durchaus sein und dann macht der Gedankengang einer sprachlichen Aktualisierung auch Sinn. Wenn es aber nur darum geht ein einzelnes Wort anzupassen, dann handelt es sich nicht um eine Ãbersetzung, sondern um eine Korrektur. Einen Eingriff der dann aus meiner Sicht gekennzeichnet gehört bzw. andersherum, ein einzelnes Wort das nicht mehr verstanden wird, kann in einer FuÃnote verständlich gemacht werden. So können Kinder auch noch was lernen über ihre Sprache. Ãber die Sensibilität im Umgang mit ihr, darüber aneinander vorbeizureden wenn man Worte der gleichen Sprache gebraucht und einander doch nicht versteht oder schlimmer andere verletzt, weil Worte von anderen auch anders verstanden werden können. Denn das ist sprachlicher Alltag.
Ãbersetzungen stellen von Haus aus Veränderungen dar, aber das Original sollte geschützt werden gegen sprachliche Willkür.
Ãbrigens musste ich bei dem Vorfall zu allererst an Hitlers Mein Kampf denken. Es gibt in Deutschland nämlich ganze Bücher die man uns vorenthält, weil wir deren Lektüre wohl nach amtlicher Meinung nicht verkraften. Vielleicht dauert es mit der Bayerischen kommentierten Ausgabe auch deshalb so lange. Man übersetzt das Werk vielleicht Wort für Wort. Jedenfalls kommt das der Zensur deutlich näher als die Korrektur des Wortes Neger.
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23.01.2013 22:45 |
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Bernhard Nowak
Schüler
Dabei seit: 26.08.2004
Alter: 60
Herkunft: Rödermark
Themenstarter
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Der Greiner-Artikel aus der "Zeit" ist nun online abrufbar:
__________________ King: You're a monster, Urquhart.
Urquhart:You might very well think that, Sir, but your opinion doesn't count for very much now, does it? Good day, Sir.
Ian Richardson in: "House of cards, Teil 2: To play the King"
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09.02.2013 13:43 |
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Beatrix
Schülerin
Dabei seit: 01.03.2007
Herkunft: Bayern
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In den Kommentaren unter dem Artikel, fand ich einen sehr interessanten Aspekt.
Durch das politisch überkorrekte Herausstreichen rassistischer Wörter verleugnen wir unsere eigene rassistische bzw. sprachlich rassistische Vergangenheit.
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, denn durch die Negierung der Vergangenheit kann man zukünftigem Rassismus bestimmt nicht entgegenwirken.
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12.02.2013 16:34 |
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Grundsätzlich gebe ich euch Recht, aber es gibt Unterschiede von Buch zu Buch: Man muss im Einzelfall fragen, was der Autor meinte.
Bei Astrid Lindgren sehe ich es nicht als problematisch, statt von einem "Negerkönig" von einem "Südseekönig" zu sprechen: Sinn ist, dass Pippis Vater in einem weit entfernten Land lebt, dessen Bewohner zur Welt Tommys und Annikas (und damit auch der Leser) keinen Kontakt haben.
Bei Mark Twains "Huckleberry Finn" wäre es dagegen eine grobe Sinnentstellung, von Jim als einem Maximalpigmentierten zu sprechen: Hier geht es ja gerade darum, dass Huck seine rassistischen Vorurteile überwinden muss - und für Hucks Welt ist Jim ein "Nigger" und Privatbesitz seiner Herrin. Wer das leugnet und / oder Huck PC sprechen lässt, verfälscht das Buch grob.
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12.02.2013 17:34 |
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cal50cartridge
Schüler
Dabei seit: 24.12.2010
Alter: 37
Herkunft: Papenburg
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Fakt ist aber auch das der Ausdruck "Negerkönig" in keinster weise rassistisch gemeint ist. Ich hatte so ne ähnliche Diskussion vor nem Jahr schon mal. da gings darum ob man Homosexuelle als "schwul" bezeichnen darf oder ob das pauschal ne Beleidigung ist. Und nur weil "schwul" den Einzug in die Alltagssprache gefunden hat als ein Ausdruck etwas negativ zu betiteln bin ich der Meinung, dass man Homosexuelle durchaus als schwul bezeichnen darf.
Genau so ist es mit Schwarzen. Ob ich sie jetzt als Neger, Schwarzer, dunkelhäutig oder maximalpigmentiert bezeichne. dann mein ich doch immer die gleiche Person.
Und ich kann auch den momentan politisch korrekten Ausdruck nehmen (von dem ich echt nicht weiÃ, welcher das im Moment ist) und ihn trotzdem mit oder ohne rassistischem Hintergrund verwenden.
__________________ Jeder Tag an dem man nicht gelacht hat, ist ein verlorener Tag
(Charlie Chaplin)
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13.02.2013 20:20 |
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Das ist richtig. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man die Texte ändern muss.
Allerdings ist heute das Wort "Neger" beinahe zu einer Beleidigung geworden und man kann sich fragen, ob man bei einer Neuübersetzung (Pippi Langstrumpf ist ja im Original nicht deutsch *klugscheiss*) nicht statt dessen ein anderes Wort verwendet.
Bei der Neubearbeitung älterer Werke schreibt man schon seit Jahrzehnten "Frauen" statt "Weiber", obwohl bis ins 19. Jahrhundert das Wort "Weib" nicht sexistisch gemeint war.
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13.02.2013 20:28 |
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Tatsächlich geht mir der ganze Bohei um politisch korrekte Sprache entsetzlich auf den Nerv.
Was nun den "Neger" anbelangt, egal ob in Pipi Langstrumpf oder im täglichen Sprachgebrauch - es gibt wichtigere Dinge. Darüberhinaus etwas aus dem realen Leben: In meinem Bekanntenkreis gibt es einige Schwarzafrikaner. Untereinander nennen sie sich "Nigger", wenn sie von Dritten Neger genannt werden ist es ihnen vollkommen gleichgültig. Weisse nennen sie ihrerseits "Quarkbrot" und Asiaten sind für sie Untermenschen mit denen man nicht redet. Ganz alltäglicher Rassismus halt.
Was nun klassische Kinder- und Jugendbücher anbelangt. Einfach möglichst so drucken bzw. vorher übersetzen wie sie von Autor/in geschrieben wurden. Es bleibt nur noch abzuwarten wann irgendwelche schwachsinnigen Modernisierer über die Harry Potter Bücher herfallen.
__________________ âUm ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muà man vor allem ein Schaf sein.â
Albert Einstein
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13.02.2013 21:05 |
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Ach so, ja dann. Falls du dich damit auch mal in der sarkastisch-ironischen Ecke probieren wolltest, sag Bescheid. Ansonsten ist das ziemlich daneben.
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13.02.2013 21:11 |
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Was man unter Freunden sagt und was man gegenüber einem Fremden sagt, sind verschiedene Dinge.
Wie übersetzt man so wie ein Buch geschrieben wurde? Wie bringst du z.B. den Bedeutungsunterschied zwischen "witch" und "hag" ins Deutsche?
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13.02.2013 21:30 |
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Das Leben ist nun mal nicht immer "politisch korrekt" sondern hier und da peinlich, anstrengend, schön und weniger schön, auch sarkastisch. Das kann man/frau auch als "ziemlich daneben" empfinden - an der Sache ändert es nichts.
__________________ âUm ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muà man vor allem ein Schaf sein.â
Albert Einstein
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13.02.2013 21:35 |
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