Tala Pran
Schülerin
Dabei seit: 05.08.2007
Alter: 54
Herkunft: DSNH
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Aus gegebenem Anlass (LARP Gemeinschaften sind keinen Konkurenz zur Ring-Con und ähnliche gelagerte Events) und weil ich den Text schon für ein anderes Forum schreiben musste, möchte ich diese Information auch hier an potentiell Interessierte hernanbringen.
LARP steht für "Live Action Role Playing" - und wird auf deutsch "Liverollenspiel" genannt. Die Idee, Rollenspiel "Live" zu machen, kam Mitte der 80'er Jahre auf.
Das ist viel zu wenig greifbar?
Ich versuche es mal anhand der, in diesem Forum bekannten Bilder zu erklären.
Nur heisst der Autor Spielleiter, das Buch Plot und ist eher ein Drehbuch.
Nur sitzen wir nicht vor dem Computer oder an einem Tisch (wie bei Pen&Paper).
Damit wird es schon klarer. Nicht? Ok, dann weiter :-)
Zu einem LARP gehört eine Location.
Zum Potterversum passt eine Burg oder ein Schloss, aber ein Landschulheim oder Zeltplatz tuts auch.
Dann die bereits erwähnte Spielleitung, die den Termin organisiert, die Location mietet, Informationen verbreitet und sich einen Handlungsrahmen (Plot) ausdenkt. In diesem Handlungsrahmen sollen Personen interagieren.
Wir brauchen also Spieler. Das sind z.B. Fans
Ach, wichtig! Es gibt Regeln. Klar, weil ein bischen Ordnung braucht auch das kreativste Chaos.
Diese Regeln legt die Spielleitung fest. Und alle müssen sich daran halten.
Das kann dann z.B. so aussehen:
Soweit so gut.
Du hast dich also entschlossen ein LARP zu besuchen. Termin und Ort passen, der Preis ist erschwinglich und du weisst auch schon, wer du sein willst. Wie geht es jetzt weiter?
Eingangs habe ich schon erwähnt, dass LARP Liverollenspiel heißt. Ich könnte es auch mit Improvisationstheater ohne Publikum umschreiben. Also, Rollenspiel real mit allen Sinnen erleben - das dumme daran ist nur, daß man eben nicht gemütlich auf dem Sofa sitzt, bei Chips, Schoki und Cola, warm und trocken. Wenn es regnet, wird man wirklich naß! Und wer auf einen Baum klettert und wieder runterfällt, tut sich wirklich weh. Ein Zauber kann nicht über linke Maustaste aus der Liste aufgerufen, sondern sollte wirklich aktiv oder passiv ausgespielt werden. Aber dazu kommen wir später.
Du triffst am Spielort ein und lernst viele neue Menschen kennen. Zu deiner Freude sind alle unheimlich nett und dich schaut keiner als Spinner an, weil du Snapes Lebenslauf auswenig kennst, dir einen eigenen Zauberstab gebastelt, oder stundenlang am Flohmarkt nach der geeigneten Feder gestöbert hast.
Fein, du bekommst dein Bett gezeigt. Alle werfen sich in ihre Gewandung (kostümiert wird im Fasching), du erkennst bereits an Krawatte oder Schal deine Hauskameraden und laut plaudernd rottet sich die Teilnehmerschaft rund um eine kleine, hektisch wirkende Gruppe - richtig vermutet - die Spielleitung.
Die wichtigsten Verhaltensregeln zur Sicherheit der Teilnehmer werden nochmals erklärt, Essenzeiten angekündigt und ein paar andere wichtige organisatiorische Fakten aufgezählt, und dann kommt endlich das ersehnte "Time In".
Ab jetzt BIST du die erdachte Figur. Du denkst, handelst und interagierst nicht wie du selbst, sondern wie der Spielcharakter denken, handeln und interagieren würde. Eben wie wenn du als Autor die Romanfiguren leben lässt. Nur dass du dabei nicht schreiben musst.
Ich höre geradezu wie dir jetzt die Frage auf der Zunge brennt: und wie geht das mit dem Zaubern?
Allem voran: mit viel Phantasie. Gefolgt von Kreativität und Aktion.
Ok, ich beschreib es an einem Beispiel passend zur JWA oder WSZH:
Der Angreifer möchte seinen Gegenüber entwaffnen. Er führt seinen Zauberstab in einer ausladenden Bewegung, als würde er eine Peitsche führen und ruft dabei laut und verständlich "expelliarmus". Er macht das so glaubhaft, dass der Gegener den zauebrstab in die angedeutete Schlagrichtung fallen lässt.
Bei uns gilt also die sogenannte "Opferregel". Der Betroffene entscheidet selbst, ob er den Zauber ausspielen möchte. Die Interaktion regelt sich ganz von selbst. Denn, wenn du nie den zauber eines anderen anerkennst, wirst du auch selbst keinen durchbringen. Das ist langweilig. Und gutes Spiel wird belohnt. Dadurch werden die Interaktionen lebhafter. Du musst daher kein talentierter Schauspieler sein, sondern nur selbst daran glauben :-)
Die Spielleitung legt Hinweise aus und stellt die Spieler vor mehrere Herausforderungen. Es müssen Texte entschlüsselt, Zutaten gefunden, Tränke gebraut, magische Wesen gezähmt und viele andere heldenhafte Aufgaben erfüllt werden. Es gilt viele Abenteuer zu erleben. Na, ist doch dem Computergame ähnlicher als du dachtest. Nur musst du nicht alleine spielen.
Um den Handlungsfluss ein wenig steuern zu können hat die Spielleitung Helfer, sogenannte Nicht-Spieler-Charaktere (NSCs). Diese Teilnehmer müssen sich meist keine eigenen Figur ausdenken, sondern bekommen eine (Fix-NSC) oder mehrere (Springer-NSC) Rollen zugeteilt. Manche sagen, das wäre für Anfänger besonders gut geeignet. Ich sehe das nicht so. Denn NSCs tragen maßgeblich den Plot mit und sollten daher schon einige Erfahrung haben.
Je nach dem, wielange das LARP angesetzt ist, kommt irgenwann das erlösende "time out" der Spielleitung. Langsam kehren die Spieler zurück in die Realität. Alle helfen mit, die Location wieder sauber zu verlassen.
Ich wurde schon öfter gefragt, warum ich mir die viele Arbeit als Organisatiorin und Spielleitung überhaupt antue. Besonders, da ich damit nichts verdienen sondern im Gegenteil oft noch privates Geld draufzahlen muss.
Nun, weil ich Interessierten und Gleichgesinnten einen Platz für ihr Hobby schaffen will.
Weil LARP die Kommunikation und Kreativität fördert. Weil es die Konfliktfähigkeit schult. Ich kann im Rollenspiel bewusst ein zu mir konträre Person spielen. Ich kann mich als Böswicht oder schuft versuchen. Ich kann mich bewusst meinen Ängsten stellen, weil es immer die Möglichkeit gibt, einen Schritt zurückzumachen. Niemand muss irgendwas, fast alles ist erlaubt. LARP fördert auch die Toleranz, weil ich auch mal Konflikte ganz bewusst austragen kann.
Aber nicht nur am Spiel selbst bieten sich grosse Herausforderungen.
Es bilden sich stabile Freundschaften und Netzwerke. Braucht wer Hilfe beim Umzug, irgendwer hat immer Zeit. Wir haben Spieler aus allen Schichten. Juristen, Ärzte, Computerspezialisten. Fast für alle Fragen des Lebens hat irgendein LARP-Freund die Antwort.
Und der dritte Punkt ist quasi die Nebenwirkung. Um gut und glaubhaft interagieren zu können, brauche ich informationen die auf realem Wissen aufbauen. Z.B. Kräuterkunde, Geschichte, Wissen zu Sagen und Legenden und viele mehr. Viele können oder wollen sich Merchandising nicht leisten. Sie lernen schneidern, um sich einen Umhang zu machen. Sie lernen Holzbearbeitung um sich einen Zauberstab zu basteln. Die Spieler tauschen untereinander Erfahrungen über Werkstoffe, Schnittmuster oder Basteltechniken aus. Sie treffen sich zu Stricknachmittagen oder Werk-Workshops.
Ich muss beruflich sehr viel sitzen und bin froh, dass ich am WE einen überzeugenden Grund habe, im Grünen herumzulaufen. LARpen hält mich geistig rege. Ich bleibe neugierig und finde immer Neues zu lernen. Und LARPen hält jung. Am Spiel macht es kaum Unterschied ob du 16 oder 46 bist, weil die Charaktere sowieso meist vom realen Alter abweichen.
Alles das verhindert die künstliche Vereinsamung, unter der unsere hochtechnisierte Gesellschaft leidet.
Sollte ich was vergessen haben oder andere Spielleiter mich ergänzen wollen, nur zu.
Ich habe mich in diesem Beitrag besondern auf Potter-LARP konzentiert. Natürlich gäbe es für andere Genre wie Fantasy, SciFi oder Gegenwartsszenarien noch vieles zu erzählen, aber das sprengt den Rahmen.
Dafür empfehle ich die Lektüre des LARP-Wiki.
In diesem Forum sind doch eher konkrete Fragen zu den ausgeschrieben Spielen oder Potter-LARP allgemein angebracht. Diese werden wir Spielleiter mit grosser Freude beantworten.
Also nur vor, keine Scheu :-)
PS: wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten. Ich hab noch reichlich davon *G*
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